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Geschichte

Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte. Und bewegte Bilder sagen noch viel mehr. Wir haben die Geschichte der Wiener Kläranlage zum Laufen gebracht.

Zwei Jahrtausende Wiener Abwassergeschichte

Die heutige Abwasserreinigung auf dem Stand der Technik in der ebswien steht am − vorläufigen − Ende der knapp 2.000-jährigen Geschichte der Abwasserentsorgung in Wien. In der Legionsstadt Vindobona ist die erste Kanalisation auf Wiener Boden nachzuweisen. Um 100 nach unserer Zeitrechnung errichteten römische Soldaten im Militärlager Vindobona ein erstes, auch heute noch modern anmutendes Kanalsystem. Die Kanalsohle („Kanalboden“) bestand aus Dachziegeln, die Abdeckungen aus Steinplatten. Für kleine Kanäle wurden bereits Rohre aus gebranntem Ton verwendet. Mit dem Ende der Römerzeit endete diese erste Phase der Kanalisation, der hohe Standard geriet in Vergessenheit.

Im Mittelalter war Wien, gemessen an seinem hygienischen Standard, eine typisch europäische Stadt. Nicht nur der Hausmüll, auch der Abfall vieler Handwerksbetriebe jener Zeit landete entweder auf der Straße oder im nächsten Bach. Erst bei stärkeren Regenfällen wurden die übel riechenden Restbestände weggeschwemmt.  Im späteren Mittelalter sind in der Stadt spärliche Anzeichen einer Kanalisation nachzuweisen. Die „Mörungen“, das sind gemauerte Leitungen zu Fließgewässern, erhielten im späten 14. Jahrhundert immerhin eine Abdeckung. Eine dieser Mörungen entdeckte man im Zuge der U-Bahn-Bauarbeiten vor dem Haas-Haus in der Wiener Innenstadt.

Das Bild zeigt ein römisches Kanalgitter aus Vindobona. © Archiv Wien Kanal
Römisches Kanalgitter aus Vindobona. © Archiv Wien Kanal

Gegen Ende des 15. Jahrhunderts existierten einige dieser „Kanäle“ im Bereich des heutigen 1. Wiener Bezirks, auch kleinere Bäche dienten der Abwasserentsorgung. Mehr schlecht als recht, erschienen sie doch selbst den Zeitgenossinnen und Zeitgenossen als „übel riechende Sümpfe“.

Plan der Stadt Wien aus dem Jahr 1739, der den Stand des Kanalnetzes zeigt. © Archiv Wien Kanal
Plan des Wiener Kanalnetzes 1739. © Archiv Wien Kanal

Die rege Bautätigkeit nach der zweiten Türkenbelagerung 1683 führte auch zu einem ersten „Boom“ im Wiener Kanalbau. Die neu errichteten Gebäude verfügten über Hauskanäle, die in die Mörungen mündeten. Ab 1706 war der Anschluss an die Kanalisation verpflichtend vorgeschrieben. Zu Beginn des zweiten Drittels des 18. Jahrhunderts war das verbaute Gebiet innerhalb der Basteien nahezu zur Gänze kanalisiert. Wien nahm damit eine Vorreiterrolle in Europa ein. Das Abwasser gelangte aber nach wie vor ungereinigt in den der Stadt zunächst gelegenen Donauarm. Auch in den Vorstädten und Vororten gelangten die Abwässer nach wie vor in die Bäche, an deren Ufer sie entstanden waren. Mit zunehmender Bebauungsdichte reichte die Wasserführung nicht mehr aus, um die ständig zunehmende Menge an Fäkalien und anderen Verunreinigungen abzutransportieren. Verheerende Hochwasserkatastrophen setzten die faulenden Abfälle, darunter häufig auch Tierkadaver, frei. Diese hygienischen Missstände führten zu immer wiederkehrenden Seuchen, die zahlreiche Todesopfer forderten. Aber auch Pläne zu einem weiteren Ausbau der Kanalisation Wiens entstanden. 

Sie blieben aber so lange in der Schublade, bis eine echte Katastrophe passierte. Ein gewaltiger Eisstoß auf der Donau führte im Jahr 1830 dazu, dass die verjauchten Wiener Bäche über die Ufer traten. Eine Choleraepidemie, die mehr als 2.000 Tote gefordert haben soll, war die Folge. Nun ging es schnell, es begann eines der größten Bauprogramme der Stadtgeschichte, das letztendlich über 70 Jahre andauern sollte: Offene Bäche im Stadtgebiet wurden eingewölbt, zusätzlich entstanden zwei Sammelkanäle links und rechts des Wienflusses, die so genannten „Cholerakanäle“. Schon im Jahr 1848 kann Wien auf eine der modernsten Kanalisationen der damaligen Zeit verweisen.

Einen weiteren Schub für das Wiener Kanalnetz brachte die Eingemeindung von 33 Vorortgemeinden mit 1. Jänner 1892. Um die hygienischen Standards zu heben begann schon im Jahr davor der Ausbau der Entwässerungsanlagen. Aus den offenen, völlig verjauchten Gerinnen entstanden Hauptsammelkanäle, die bis heute einen wichtigen Teil der Wiener Kanalisation bilden.

Diese Entwicklung hat ebswien-Generaldirektor Christian Gantner in seinem Buch „Vom Bach zum Bachkanal“ detailliert beschrieben.

Entwässerungsplan von Wien aus dem Jahr 1901. © Archiv Wien Kanal
Entwässerungsplan von Wien aus dem Jahr 1901. © Archiv Wien Kanal

Von der Abwasserentsorgung zur Abwasserreinigung

Die Ereignisse des Ersten und Zweiten Weltkrieges verzögerten die weiteren Ausbaupläne für das Kanalnetz. Nach 1945 stand die Reparatur des durch Bombentreffer schwer in Mitleidenschaft gezogenen Kanäle im Vordergrund. Bis 1950 war die Instandsetzung abgeschlossen. Für die Hygiene in der Stadt war also wieder gesorgt, doch das Abwasser gelangte ungereinigt in die Wiener Flüsse. Nach dem Zweiten Weltkrieg begannen in Wien die Planungen, die gewaltigen Abwassermengen – bis zu 500 Millionen Liter täglich – zu reinigen. Die Stadt Wien errichtet zunächst zwei kleinere Kläranlagen im Süden Wiens, im Einzugsgebiet des Liesingsbachs. Nach vierjähriger Bauzeit ging 1951 die erste Kläranlage Wiens (Inzersdorf/Gelbe Heide) für die Gebiete von Hetzendorf und Altmannsdorf in Betrieb. Sie wurde 1969 von der vollbiologischen Kläranlage Blumental (stillgelegt im Jahr 2005) abgelöst.

Ansicht der Kläranlage Gelbe Haide von Westen. © Archiv Wien Kanal
Kläranlage Gelbe Haide von Westen. © Archiv Wien Kanal
Bürgermeister Bruno Marek legt den Grundstein für die Hauptkläranlage Wien. © Archiv Wien Kanal
Bürgermeister Bruno Marek legt am 4. Juni 1970 den Grundstein für die Hauptkläranlage Wien. © Archiv Wien Kanal

Doch auch die Wasserqualität der Donau wurde zum Thema, war doch die „Abwasserfahne“ Wiens flussabwärts der Stadt deutlich merkbar. Die Planungen für die Wiener Hauptkläranlage begannen in den 60-er-Jahren des 20. Jahrhunderts, als Standort wurde Simmering als einer der topographisch tiefsten Punkte Wiens gewählt. Denn hierher kann das Abwasser in den Kanälen weitgehend im freien Gefälle fließen, die Energie für Pumpwerke kann eingespart werden. Überlegungen, für die Bezirke Floridsdorf und Donaustadt jenseits der Donau eine eigene Kläranlage zu errichten, wurden verworfen: Der 567 Meter lange „Donaudüker“ wurde geplant, in dem auch das Abwasser aus den Bezirken Floridsdorf und Donaustadt zur neuen Hauptkläranlage in Simmering fließen sollte. Am 4. Juni 1970 konnte Bürgermeister Bruno Marek den Grundstein für die Hauptkläranlage Wien, die eine der größten Europas werden sollte, legen. „Möge diese Anlage durch die Rückführung gereinigten Abwassers in den Kreislauf der Natur zur vermehrten Reinhaltung unseres Lebensraums beitragen.“ Das wünschte sich Marek im Namen der Wiener Bevölkerung im Text der Grundsteinurkunde.

Mit der Inbetriebnahme der Hauptkläranlage Wien im Jahre 1980 begann ein neuer Abschnitt der Wiener Abwassergeschichte. Nun wurden sämtliche Abwässer der Stadt gereinigt, bevor sie in die Donau gelangten. Ständige Verbesserungen, neue Kanal- und Pumpanlagen, die laufende Sanierung und das große „Gewässerschutzprojekt für Wien“, in dem die Erweiterung der Hauptkläranlage Wien den zentralen Bestandteil darstellte, sorgten für den umfassenden Schutz der Wiener Gewässer. Mit der Inbetriebnahme der zweiten biologischen Reinigungsstufe der Hauptkläranlage im Jahr 2005 war sichergestellt, dass Wien seine gesamten Abwässer auf dem Stand der Technik reinigte und die Gewässerqualität der Donau nicht beeinträchtigte.

Diese umwelttechnische Meisterleistung war nur durch einen hohen Energieeinsatz zu erzielen, die Hauptkläranlage verbrauchte mehr als ein Prozent der Strommenge, die Wiens größter Energieversorger erzeugte. Die Steigerung der Energieeffizienz der Anlage und der Einsatz erneuerbarer Energieträger auf dem Anlagengelände stand daher nach 2005 im Fokus des Unternehmens. Nach zehnjähriger Planungs- und Errichtungszeit ging im Jahr 2020 die neue Schlammbehandlungsanlage der ebswien in Betrieb: Die Kläranlage erzeugt nun mehr Öko-Energie aus dem erneuerbaren Energieträger Klärgas, als sie für die Reinigung aller Wiener Abwässer verbraucht.

Bürgermeister Leopold Gratz eröffnet die Hauptkläranlage Wien mit einem symbolischen Druck auf einen Buzzer. © Archiv Wien Kanal
Bürgermeister Leopold Gratz eröffnet die Hauptkläranlage Wien. © Archiv Wien Kanal

Zeitleiste

1951
Start der Abwasserreinigung in Wien

Bürgermeister Franz Jonas nimmt am 15. Dezember 1951 die Kläranlage „Auf der Gelben Haide“ in Betrieb. Sie sorgte für die Entlastung des Liesingbachs.

1969
Neue Kläranlage am Liesingbach

Die mechanisch-biologische Kläranlage in Blumental ersetzt die erste Wiener Abwasserreinigungsanlage.

1970
Grundsteinlegung Hauptkläranlage Wien

Am 4. Juni 1970 legt Bürgermeister Bruno Marek den Grundstein für die Hauptkläranlage Wien.

1978
Baustart Schlammverbrennung

Handelsminister Josef Staribacher legt am 5. Juni 1978 den Grundstein für die Sondermüll- und Klärschlammverbrennungsanlage.

1980
Inbetriebnahme

Bürgermeister Leopold Gratz eröffnet am 28. Juni 1980 die Hauptkläranlage. Betreiberin der Anlage ist die MA 30 – Wien Kanal. Gleichzeitig startet auch die von der EbS betriebene Sondermüll- und Klärschlammverbrennungsanlage.

1996
Erhöhte Reinigungsleistung

Die neue Phosphatfällanlage der Hauptkläranlage Wien geht in Betrieb.

2000
Ausbau

Im Jahr 2000 starten die Erweiterungsarbeiten an der Hauptkläranlage, die die Errichtung einer zweiten biologischen Reinigungsstufe (HKA2) vorsehen.

2000
Abspaltung

Die Fernwärme Wien übernimmt die Klärschlamm- und Sonderabfallbehandlung und -verbrennung von der EbS.

2005

Bürgermeister Michael Häupl nimmt am 18. Juni 2005 die erweiterte Hauptkläranlage Wien in Betrieb.

2015
Grundsteinlegung E_OS

Bürgermeister Michael Häupl und Stadträtin Ulli Sima legen am 13. April 2015 den Grundstein für das Projekt E_OS – Energie_Optimierung Schlammbehandlung.

2020
Energieselbstversorgerin

Bürgermeister Michael Ludwig und Stadträtin Ulli Sima enthüllten am 4. Juni 2020 den Schlussstein des Projekts E_OS – Energie_Optimierung Schlammbehandlung. Mit Inbetriebnahme des Schlammbehandlungstraktes deckt die ebswien ihren gesamten Strom- und Wärmebedarf aus selbst erzeugter Öko-Energie.

Ein weißes "i" auf blauem Grund als Symbol für "Information".

1. AEV

Die Bezeichnung 1. AEV steht für die
„1. Abwasseremissionsverordnung für kommunales Abwasser“. Der Mindestwirkungsgrad bezieht sich auf das Jahresmittel, der Grenzwert auf die maximal zulässige Ablaufkonzentration im geklärten Abwasser.

Ein weißes "i" auf blauem Grund als Symbol für "Information".

Pges

Pges steht für Gesamt-Phosphor. Der Gesamt-Phosphor ist ein Summenparameter, der sich aus gelöstem anorganischen Phosphor (Orthophosphat) und gelöstem bzw. ungelöstem organischen Phosphor zusammensetzt.

Der Gesamt-Phosphor wird in mg P/l (Abwasser) angegeben.

Ein weißes "i" auf blauem Grund als Symbol für "Information".

NH4-N

(Ammoniumstickstoff)

Der Ammonium-Stickstoff (NH4-N) ist eine anorganische Stickstoffverbindung, die unter anderem beim biologischen Abbau organischer Stickstoffverbindungen (z.B. Eiweiß) entsteht.

Der Ammonium-Stickstoff wird in mg N/l (Abwasser) angegeben.

Ein weißes "i" auf blauem Grund als Symbol für "Information".

Nges

Nges steht für Gesamt-Stickstoff. Der Gesamt-Stickstoff ist ein Summenparameter, der sich aus dem organischen Stickstoffanteil (Harnstoff, Peptide, Proteine) und dem anorganischen Stickstoffanteil (Ammonium-Stickstoff und Nitrat-Stickstoff) zusammensetzt.
Ein weißes "i" auf blauem Grund als Symbol für "Information".

TOC

TOC steht für „total organic carbon”, also den gesamten organisch gebundenen Kohlenstoff. Zusammen mit dem chemischen Sauerstoffbedarf (CSB) ist TOC eine wichtige Kenngröße für die Belastung eines Gewässers mit organischen Stoffen.

 

Angabe in mgC/l (Wasser).

Ein weißes "i" auf blauem Grund als Symbol für "Information".

CSB

Der CSB, kurz für Chemischer Sauerstoffbedarf, ist eine Kenngröße für den Gehalt an sauerstoffzehrenden Wasserinhaltsstoffen. Der chemische Sauerstoffbedarf ist der bei der chemischen Oxidation von organischen Wasserinhaltsstoffen unter genormten Bedingungen ermittelte Verbrauch an Kaliumdichromat, anzugeben als Sauerstoffäquivalent in „mg/l Wasser“.
Ein weißes "i" auf blauem Grund als Symbol für "Information".

BSB5

BSB5 steht für den biochemischen Sauerstoffbedarf in 5 Tagen. Dabei handelt es sich um eine Kenngröße für den Gehalt an biologisch abbaubaren Wasserinhaltsstoffen.

BSB5 bezeichnet die Sauerstoffmenge, die von Mikroorganismen in 5 Tagen verbraucht wird. Der biochemische Sauerstoffbedarf ist die Masse an gelöstem molekularen Sauerstoff, die von Mikroorganismen beim oxidativen Abbau (aber auch Umbau) organischer Inhaltsstoffe (Kohlenstoffverbindungen) des Wassers unter definierten Bedingungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums  (5 Tage) benötigt wird.

Der BSB5 wird in mgO2/l (Wasser) angegeben.