Der Inhalt von Kanälen und Senkgruben landete allerdings direkt in den Gewässern, die die Stadt durchzogen, allesamt Wienerwaldbäche, die in den am nächsten zur Stadt liegenden Donau- Arm, den „Donaukanal“, flossen. Insbesondere der Wienfluss, der auch die Abwässer von zahlreichen Gewerbebetrieben verkraften musste und in den auch noch der „völlig verjauchte“ Ottakringer Bach mündete, stellte ein großes Problem dar. Pläne zur Sanierung dieses „Übelstandes“ wurden auf die lange Bank geschoben. Erst der Ausbruch der Cholera im Jahr 1831 brachte Bewegung in die Angelegenheit: Zunächst am rechten Ufer des Wienflusses (1831-1834) und nach einer kaiserlichen Entschließung aus dem Jahr 1834 auch am linken Ufer (1836-1839) entstanden „Hauptunratskanäle“, die sogenannten „Cholerakanäle“. internationalen Vergleich, nur Hamburg begann in den 1840er-Jahren – ebenfalls nach einer Katastrophe, nämlich einem verheerenden Großbrand – mit einem systematischen Ausbau seines „Sielnetzes“. Das Wiener System litt dennoch an erheblichen Unzulänglichkeiten: Insbesondere in den Sommermonaten führten die Wienerwaldbäche kaum Wasser, das „Schwemmen“ der Kanäle zur Beseitigung der Fäkalien funktionierte nur äußerst unzureichend. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zogen Städte wie London, Paris und Berlin in punkto Hygiene durch die Errichtung von neu und einheitlich geplanten, gigantischen Kanalsystemen an der Habsburger Haupt- und Residenzstadt vorbei. Sehr genau beobachtet vom Wiener Stadtbauamt, das durch Dienstreiseberichte A L t S W e : l l e u Q © Haupt- und Niveauplan für den Cholerakanal am rechten Wienfluss-Ufer (1831/32) und Korrespondenzen einen guten Überblick über die internationale Lage hatte. Als Franz Berger 1881 den aktuellen Zustand der Wiener Kanalisation beschrieb, hatte er durchaus Grund für Optimismus, dass „das grosse, die Gesundheitsverhältnisse von Wien so wesentlich berührende Werk der Um(ge)staltung der Kanalisation in Angriff genommen werden“ könnte. Grundlegende Vorarbeiten, die in den vom Gemeinderat eingesetzten Kanalisations-Kommissionen intensiv diskutiert wurden, hatten die Weichen für eine endgültige Entscheidung bereits gestellt. International war die Diskussion zwischen Anhängern Bis 1850 wölbte die Stadt die bisher offen fließenden Wienerwaldbäche, in denen das Abwasser gelandet war, von ihrer Mündung in den Donaukanal bis zur Grenze der Vorstädte zu Bachkanälen ein, so den Ottakringer Bach (1837-1840), den Alserbach (1840- 1845), den Währinger Bach (1848) und den Döblinger Bach (1850). Trotz der von Franz Berger beklagten Verwaltungszersplitterung war also in Wien bis zur Eingemeindung der Vorstädte ein durchaus beachtenswertes Kanalnetz entstanden. Sehr früh im und Gegnern des Schwemmsystems, inklusive persönlicher Beleidigungen, erbittert geführt worden. Die Alternative war ein Abfuhrsystem, also eine Fäkaliensammlung etwa in Tonnen, die eine Verwertung als Dünger ohne Verdünnung ermöglicht hätte. Stadtbauamt und Stadtphysikat, zuständig für die öffentliche Gesundheit, zogen dabei an einem Strang: Die Schwemmkanalisation im Mischsystem brachte die Fäkalien schnell und ohne menschliche Manipulation hinaus aus der Stadt, war in hygienischer Hinsicht also klar überlegen. Aber auch finanziell war sie 8 klartext history